Verkauft wurde in diesen ersten Jahren praktisch alles, was bunt war, eine ausgefallene Farbe, eine Stehmähne und einen kurzen Schweif hatte, egal ob krumm oder hustend, ob klein oder groß, scheckig oder einfarbig und so manches dieser Exemplare hatte Südamerika nie gesehen.

 

Alles, was eng eingepfercht die Schiffsreise unter Deck überstanden hatte und etwas hübsch aussah wurde als Anfängerpferd feilgeboten. Dass damit viele Reiter überfordert waren und mit den orientierungslosen und scheuen Tieren nicht zurecht kamen, liegt auf der Hand. Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass auch einige sehr taugliche Exemplare darunter waren, die teilweise heute noch im Dienst sind. Gerade in letzter Zeit findet eine verbissene Diskussion zwischen Besitzern und Züchtern reiner Criollos und den Fans von so genannten Mestizos (Mischlingen) statt. Rückblickend kann ich sagen, dass es diese etablierte Zucht in Deutschland wie wir sie jetzt haben, nicht geben würde, wenn nicht diese Pferde mit den Schiffstransporten nach Deutschland gekommen wären. Denn letztendlich verkauft ein Pferdehändler nur Rassen, die bei seinen Kunden gefragt sind und hätte die Nachfrage nach diesen einfach zu reitenden Pferden nicht stattgefunden, dann wären noch mehr Pferde in Italien geblieben und dort geschlachtet worden. Fakt ist, dass die Mestizos den Weg für eine deutsche Zucht reinrassiger Criollos geebnet haben. Es sei mir auch die persönliche Bemerkung erlaubt, dass es sich bei dieser Debatte um eine typisch deutsche Erscheinung handelt, spielt doch anscheinend in unseren Landen der Wert des Papiers, auf dem die Abstammung steht eine größere Rolle, als das Pferd selbst. Sicherlich ist zur Zucht ein Abstammungsnachweis notwendig und unabdingbar, hat aber auf die Tauglichkeit und den Verwendungszwecks eines Pferdes als Reitpferd und Freizeitkumpanen wenig Einfluss. Gute ausbalancierte Pferde gibt es vereinzelt unter den Mestizos, und auch manch reiner Criollo hat seine Gebäudefehler. Wie schnell ein „Mestizo zum Criollo“ werden kann, habe ich persönlich erfahren: vier Jahre glaubte ich einen Mestizio zu besitzen, bis ich auf Umwegen und mit viel Glück die originalen Papiere zu meinem damals 14-jährigen Wallach aus Uruguay von seiner Züchterin bekam. Der heute 26-jährige Rentner genießt sein geruhsames Leben im Offenstall und zählt mit seiner robusten Gesundheit sicherlich zu den noch lebenden Ausnahmen der Schiffstransporte von 1987/88. Dass er seine anfängliche Verstörtheit abgelegt hat ist sicherlich meiner Erfahrung im Umgang mit Pferden und speziell mit Criollos und seinem unerschütterlichen Vertrauen zu seinen neuen Bezugspersonen zu zuschreiben. Rückblickend, und mit dem Wissen von heute würde ich mich diesem Risiko eines Criollos aus einem Schlachtpferdetransport nicht mehr aussetzen. Aber ich hatte auch einfach Glück mit meinem ausgesuchten Exemplar. Sicherlich hat sich die Art des Schiffstransportes in den letzten Jahren verbessert, ob man aber mit dem Kauf eines solchen Pferdes die Nachfrage anregen sollte, muss jeder mit sich selbst ausmachen. Viele Pferde wären wohl damals nicht verkauft worden, wenn ihre Besitzer jemals die Ankunft der Schiffe in Bari erlebt hätten. Es ist wie bei den meisten Menschen: billiges Fleisch ißt jeder, aber in Mastbetriebe reinschauen wollen die wenigsten. Wenn die Vorteile dieser Rasse u.a. die robuste Gesundheit durch die Folgen eines nicht artgerechten Transportes kaputt gemacht werden und es lange Zeit dauert, bis so ein Pferd physisch und psychisch wiederhergestellt ist, dann sollte man besser auf hier in Deutschland geborene, zwar etwas teurere, aber artgerecht aufgewachsene Exemplare zurückgreifen. Der Preis für Mestizos aus den Schiffstransporten ist aus verschiedenen Gründen stark gestiegen und die Auswahl bei reingezogenen Criollos aus Deutschland ist größer geworden. Unabhängig vom Fehlen des Abstammungsnachweises waren viele dieser Pferde Mischprodukt aus verschiedenen Rassen, was sich mit Fachkenntnis auch am Exterieur erkennen ließ: die Hufe passten nicht zum Körper, die Schulterpartie nicht zum Hals, die Rückenlinie nicht zur Kruppe. Egal beiwelcher Rasse: Exterieurmängel machen sich auf Dauer immer irgendwo beim Reiteinsatz negativ bemerkbar. Drei Merkmale zeichnen den reinen Criollo aus:

  • Exterieur: ausgewogene Körperproportionen sind die Grundlage für Leistung
  • Ausdauer: physisch gute Grundkonstitution gepaart mit ausgeprägten Arbeitswillen
  • Leistungsfähigkeit: bestehend aus Geschicklichkeit, Intelligenz und Gehorsam