Freundeskreis Criollos

Bis ich wieder Kontakt mit Criollos bekam, verging ein halbes Jahr nach dem ich sie in Essen gesehen hatte. Über Bekannte fand ich Gelegenheit, einen Wallach aus einem Schiffstransport im Gelände zu reiten. Dabei lernte ich die Vorzüge kennen, die so viele Reitanfänger an dieser Rasse begeistern: die Trittsicherheit rauf und runter, das explosionsartige Beschleunigen zu schnellem Galopp verbunden anschließend mit einem vollkommenen gelassenen Schritt. Bequem zu sitzen in allen Gangarten, leicht zu lenken, sicher durch´s Wasser, über Brücken und an Straßen. Kurzum: zwar kein Schmusepferd aber ein Chevrolet im Gelände mit Vierradantrieb! Als ich dann 1990 über Umwege von
einer Privatperson ein Pferd aus einem Schiffstransport erwarb, kamen schon die ersten Schwierigkeiten! Hufschmied, verladen, einfangen auf der Koppel – all das war bei meiner Neuerwerbung nicht selbstverständlich. Und so begann ich mich zu informieren und stellte fest, dass es nur wenig Veröffentlichungen gab, und meist ein Autor vom anderen abschrieb. Auf Grund eines Aufrufs in „Freizeit im Sattel“ lernte ich dann Conrad Hoyos kennen und gründete 1991 den Freundeskreis  Criollos, um mein Wissen an andere weiterzugeben und ein erstes Treffen zu planen. Es wurden Videos getauscht, Stammtische ins Leben gerufen, es gab fast nichts, was nicht mit dem stilisierten Criollo-Kopf versehen wurde: Fahnen, Emailtassen, Caps und Aufkleber. Ein Doktor aus Rheine führte seine Korrespondenz mit mir auf Rezeptblöcken und eine Apothekerin rief immer dann an, wenn es ihr wieder einmal gelungen war, ihren „Pedro“ auf der Koppel einzufangen. Über Veröffentlichungen in diversen Zeitschriften meldeten sich neben vielen Hilfesuchenden auch einige Leute, die in Südamerika gelebt und deshalb Erfahrungen mit dieser Rasse hatten. So auch Adriana Faude und Mariella Superina, die fleißig Originalliteratur aus Südamerika übersetzten, welche ich dann wieder im vierteljährlichen Rundbrief verwendete. Schnell wuchs diese Gemeinschaft auf über 100 Mitglieder an und so fand in Zirndorf bei Fürth 1993 das erste Criollo Treffen statt. Hierhin brachte Conrad Hoyos auch die ersten reinen Criollos mit, die er 1991 mit Heino von Bassewitz importiert hatte. Zusammen mit Reinhold Bartman wurde auf dieser Veranstaltung ein Forum eingerichtet, wo die Zuhörer Fragen an die Fachleute stellen konnten. In dieser Zeit gesellte sich dann wie bei einem Puzzle eine Information zur anderen: Man kannte nun die 100 Farben und ihre Varianten auf spanisch und wusste warum ein Schopf am Widerrist stehen bleibt. Man konnte sich die Kopfscheuheit erklären und wusste endlich, warum keiner die Hufe gab. Wir wollten alle wissen, ob sich unsere „Criollos“ auch in der traditionellen Art aufstellen liessen, und wir sprachen plötzlich von „Crioschos“ – es war eine arbeitsreiche aber schöne Zeit. 1994 importierte dann Roger Kupfer mehrere Criollos per Flugzeug aus Uruguay. Er kannte den damaligen bayer. Zuchtleiter Wolfgang Kühn und so wurden dann 1995 die ersten Stuten eingetragen, die Criollo-Zucht in Bayern war begründet! Die Criollos aus dem Norden wurden beim Zuchtverband für deutsche Pferde registriert und relativ rasch wuchs deutschlandweit die Anhängerschaft der CRIOLLISTAS. Zu diesem Zeitpunkt war die Euphorie riesengroß und so mancher glaubte, dass die Südamerikaner in Kürze die Quarter Horses ablösen würden.
Die IG Criollo Im Herbst 1994 wurde der CRZVD (Criollo Reit- und Zuchtverein Deutschland) gegründet, ein drittes Criollo-Treffen mit der ersten Zuchtschau und einem Richter aus Südamerika folgte 1995 auf dem Kiesenhof bei Freystadt. Die Beurteilung durch den weit gereisten Fachmann gipfelte dann in der Feststellung: einige der vorgestellten Pferde „hätten nichts mit einem Criollo gemeinsam!“ Konnten sie auch nicht, denn sie waren korrekterweise als Mestizos einzuordnen. Der Freundeskreis hatte nun seine wesentlichen Aufgaben erledigt und stellte 1995 seine Tätigkeit ein. Nach Familie Klebensberger liegt seit 2000 die Informations-  und Pressearbeit in der Hand von Barbara Jakob. Sie ist die Autorin des 2006 erschienenen Buches „Caballos Criollos“, hier wurde noch einmal alles wichtige kurz deutschsprachig zusammengefasst.

Die HLP

Bald wurde nun daran gedacht, eine Hengstleistungsprüfung durchzuführen. Zunächst erschien es uns sehr schwierig, die wesentlichen Merkmale der Leistungsprüfung von Südamerika auf deutsche Verhältnisse zu übertragen, wir hatten nicht die Gelegenheit, eine Strecke von 750 Kilometer im 15 Tagen unter Aufsicht absolvieren zu lassen. In Zusammenarbeit von LD Kühn, Dr. Ute Heck-Reuther und mir starteten wir 1996 das Unternehmen „HLP für Criollos“ in München Riem mit einem eintägigen Test für die Feldprüfung mit zwei Hengsten. 10 Jahre lang wird diese Prüfung nun schon fast unverändert geritten, lediglich die Gewichtung zu Gunsten der Ausdauer wurde im Laufe der Zeit etwas nachgebessert. Obwohl zuerst sehr umstritten, hat sich auch der Fremdreitertest als durchführbar und Weg weisend erwiesen. Diese anspruchsvolle Ausdauerprüfung spielt jedoch noch nicht die selektive Rolle, die man ihr für die Zucht zugedacht hatte, denn vielen Züchtern fehlt noch das Verständnis für die Wichtigkeit einer LP.

Die Verwendung in Deutschland

Vergleicht man den Siegeszug z.B. der Tinker innerhalb von 5 Jahren in die deutschen Ställe mit der teilweisen mühsamen Verbreitung der Criollos in 20 Jahren, so muss man sich fragen, warum eine Rasse, die mit so vielen Vorzügen für den Freizeitreiter ausgestattet ist, nicht mehr Anhänger gefundenhat. Zum einen hängt den Pferden immer noch das italienische „Schlachtpferde- Image“ nach und zum anderen ist der Criollo von seinem Wesen her eher das Ein- Mannpferd, das mit seinen Besitzer und seiner Familie durch dick und dünn geht und sich von Fremden nicht gerne anfassen lässt. Nur so lässt sich erklären dass es einige Profi-Trainer gab, die gleich freiweg sagten: „Criollo? Nein danke!“ Was ist nun aus ihnen in Deutschland geworden, den treuen Arbeitern aus der Pampa? Vom Bewegungspotenzial hätten sie es häufiger verdient im Profi-Turniersport eingesetzt zu werden. Sie könnten es leicht in der Reining mit den anderen Westernrassen aufnehmen, hätten dabei die besseren Gelenke (Röhrbeinumfang zwischen 19 und 21 cm) und die robustere Gesundheit. Aber sie tun sich schwer gegendie Übermacht der QH und die Mentalitätder amerikanischen Richter. Die Rinderdiszilinen sind in Deutschland noch nicht so verbreitet, und es fehlt an qualitativ guten Reitern unter den Amateuren, „Cow sense“ jedenfalls hätte der Criollo mehr als genug. Zweifelsohne wäre der richtige Platz der Criollos im Distanzsport. Erste Anfänge auf kurzen Distanzen wurden gemacht und längere Strecken ohne Wettbewerb wurden von Clemens Felser überwunden: er ritt von Deutschland aus auf dem Jakobsweg nach Santiago de Campostela und bewältigte mehrmals mit einem Criollo unter tierärztlicher Aufsicht 100 km pro Tag. Bleibt nur der Einsatz als Freizeitpferd. Zu Beginn als Anfängerpferdeangeboten sprach sich schnell herum, dass man im täglichen Umgang mit dieser Rasse eine Portion Erfahrungen mitbringen muss, damit man die Probleme beim Einfangen, Verladen beim Tierarzt und beim Schmied bewältigen kann. Und daran sind nicht nur die Umstände des Schiffstransportes schuld, sondern auch der Umgang und die Reitweise der Gauchos in Südamerika. Wie bei jedem Arbeitstier hat auch der Gaucho ein eher aus der Tradition heraus entstandenes Verhalten zu seinem Pferd und weniger auf den Tierschutzgedanken beruht, wie wir ihn hier zu Lande kennen. Zuchtstätten in Deutschland Man würde die Absatzprobleme der Criollos leugnen, spräche man von guten Verkaufszahlen. Freizeitreiten kann man schließlich für weniger Geld auf den verschiedensten Rassen und Mischlingsprodukten, dazu brauche ich keinen reinrassigen Criollo! Es sei denn, man hat schon einmal diese rätselhafte Mischung aus spanischem Adel ohne Hysterie verbunden mit robuster Nervenstärke erlebt und schätzen gelernt. Criollo-Besitzer sind eindeutig „Mehrfachtäter“ aber es gibt auch selten eine Pferderasse die in einem solchem Maße polarisiert. Neben vielen kleineren und mittleren Zuchtbetrieben im Süden liegt 30 Kilometer von der Ostseeküste entfernt in Mecklenburg das erste Criollo-Gestüt Deutschlands „La Primera“. Dort werden Criollos fast so wie in den Ursprungsländern gehalten und mit ihnen gearbeitet. Gut Dalwitz, mit seinen über 1400 ha bietet hierfür ideale Voraussetzungen. Heino Bassewitz und Conrad Hoyos, die beiden Initiatoren haben mehrere Jahre in Uruguay gelebt und gearbeitet. Dort haben sie Land, Leute und Criollos intensiv kennengelernt. Knapp 70 Criollos sind in diesem großen landwirtschaftlichen Betrieb integriert, der seit 1992 mit extensiver Rinderzucht und Ackerbau im ökologischen Landbau bewirtschaftet wird und der Erzeugergemeinschaft BIOPARK angehört. Ca. 1000 Rinder der Rassen Hereford, Fleckvieh und Pinzgauer werden auf Gut Dalwitz ganzjährig im Freiland gehalten. Dass sie mit Criollos umgetrieben werden, versteht sich von selbst. Hier kommt das Arbeitspferd einzigartig in Deutschland so zum Einsatz, wie es sein Zuchtziel in Südamerika vorsieht. Die Criollos werden, ähnlich wie in den Ursprungsländern, ganzjährig ohne Unterstand auf der Weide und zusammen mit Rindern gehalten. Sie haben über 400 ha Weide zur Verfügung. Nur im Winter wird Heu zugefüttert. Weiterer Weg der Criollo-Zucht in Deutschland Am Anfang war es leicht, auf Schauen Criollos vorzustellen: sie waren unbekannt und es reichte schon, mit einer Baskenmütze, einem Poncho und Fahnen zu reiten. Nach 20 Jahren sind die kritischen Beobachter von exotischen Rassen mehr geworden, und jedes Kopfschlagen oder aufgerissene Maul nährt wieder das Vorurteil der Schlachtpferde aus Italien. Macht ein QH das selbe, dann ist es nur „unrittig“ oder hatte eine harte Trainerhand! Es ist schwierig, aus diesem „Fahrwasser“ herauszukommen. Es gibt nicht viele Rassen auf der Erde, die noch ursprünglicher erhalten sind und noch diese Instinkte haben wie die Criollos. Wenn sie hierzulande die richtige Haltungsform bekommen, dann werden ihr Leistungsvermögen, Arbeitswillen und Ausdauer nicht so schnell von einer anderen Rasse übertroffen. Aber in dem Maße, wie die Pferde aus den Schiffstransporten den Weg der Criollos in Europa geebnet haben, so schwer machen sie es heute den Criollos mehr Akzeptanz zu finden. Ob das mit einer Übernahme der südamerikanischen Turnierszene im Stile der „Prueba Freno de Oro“ besser würde, bleibt vorerst Spekulation.
Quelle: Gabi Schürmann